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24 November 2011

Bildungssysteme, Teil 2

Vor einer Woche protestierten Studenten in München im sogenannten Bildungsstreik. In die Liste der Forderungen habe ich ein Paar Sachen entdeckt, die auf wichtige Unterschiede zwischen die Bildungssysteme und, noch allgemeniner, die Gesellschaften, von Deutschland und der USA weisen. Insbesondere fordert der Bildungsstreik eine komplette Abschaffung aller Studiengebühre sowie kostenlose Mahlzeiten und Nutzung von öffenlichen Verkehrsmitteln für alle Studenten.

Solche Forderungen würden für die meisten amerikanischen Studenten ziemlich überraschend sein. Wir bezahlen meistens viel mehr für das Studium als Studenten im deutschen Bildungssystem. Die Studiengebühre liegen für die meisten Unis zwischen zehntausend und fünfzigtausend Dollar pro Jahr, ganz abgesehen von Wohnungs- und Lebensmittelkosten. Viele öffentliche Unis werden zwar vom Bundesstaat finanziert, beruhen zum größten Teil aber auf Studiengebühre.

Wo in Europa das Studium meistens vom Staat (und daher aus Steuereinnahmen) finanziert wird, müssen amerikanische Studenten alles selbst irgendwie bezahlen. Es gibt verschiedene Weisen, worauf amerikanische Studenten versuchen, ihre Kosten abzudecken. Manche arbeiten zum Beispiel neben dem Studium, andere leihen fünfstellige Summen von Banken aus, die sie hoffentlich später zurückzahlen können (es hilft, dass amerikanische Einkommensteuer relativ niedrig sind, sodass zum Zurückzahlen von Schulden noch was übrig bleibt). Viele kriegen auch Stipendien für besondere akademische oder unternehmerische Leistungen, oder einfach weil sie sonst die Gebühren nicht bezahlen könnten; solche Stipendien kommen oft von der Bundesregierung. Manchmal aber können Studenten und ihre Familien trotz aller Hilfe die Studiengebühren für eine Uni nicht bezahlen, also können sie bei dieser Uni einfach nicht weiterstudieren und müssen sich eine billigere Uni aussuchen. Es gibt zum deutschen System auch natürlich Nachteile, unter Anderem hohe Steuer und eine wenig zuverlässigere Finanzierung der Unis, da eine Regierung wegen Finanzbedarf auch die Beiträge zum Ausbildungssystem verringern könnte, wobei eine amerikanische Uni während Finanzmangel einfach Studiengebühren erhöhen kann. Ob ein System besser ist als das Andere ist hier nicht der Rede; die Methode zur Finanzierung des Studiums ist einfach eine Wahl, die durch Tradition erhalten ist.

Trotz meine Versuche, das deutsche Bildungssystem besser zu verstehen, kann ich noch den Bildungsstreik nicht unterstützen, wenn es die Abschaffung eines Gebührs von 542 Euro pro Semester fordert, solange es amerikanische Unis gibt, die das Hundertfache davon in einem Jahr von Studenten verlangen.

Zwischen den ganzen idealistischen Forderungen des Bildungsstreiks gibt es auch einige realistische Bemerkungen über das deutsche Bildungssystem, die ich selbst bemerkt habe, und mich auch zum Teil Sorgen machen. In meinen vorigen Eintrag bemerkte ich, wie das deutsche Studentenleben gegenüber dem amerikanischen selbstständiger ist. Das deutsche Bildungssystem ist aber auch zum Teil strenger geregelt als das amerikanische, insbesondere bezüglich der Kursauswahl. Es scheint üblich zu sein, dass deutsche Studenten einen festen Studienplan, der bis auf zwei „überfachliche Grundlagen“ festgelegt ist, für die ersten zwei Jahre des Studiums folgen müssen; so ist es wenigstens für Physik-Studenten bei der TUM. Zwei Hauptfächer zu wählen, was in der USA viel vorkommt, scheint bei der TUM nahezu unmöglich zu sein. Auch das Wechseln von Hauptfächern, zum Beispiel wenn man sich nicht mehr für seinen Hauptfach interessiert, scheint ganz schwer zu sein, wobei in der USA man vor seinem zweiten Studienjahr den Hauptfach nicht formal festlegen muss.

Diese Unterschiede machen mich Sorgen weil sie anscheinend dazu bestimmt sind, das Studium zu standardisieren, dabei aber die Freiheit von Studenten deutlich einzuschränken. Nur um klar zu sein: Ich bin nicht gegen die Standardisierung. Es kann sehr hilfreich sein, wenn Unis sich auf einen Standard für, zum Beispiel, Kreditpunkte einigen, sodass die Übertragung von Kredite auf andere Unis leichter erfolgt. Von einem amerikanischen Student ausgesehen gibt es aber viele Standardisierungen, die mehr negative als positive Folgen haben.

Als Beispiel können bei der U of M Studenten in viele Hauptfächer ihre Kurse frei auswählen, solange sie bestimmte Pflichtkurse bestehen. Studenten können Kurse einfach aus Interesse auswählen. Dieses hat die Folge, dass das Studium ein eigenartiges, geistig anregendes Erlebnis sein kann, wo Studenten ihre Interessen selbst erkündigen können. Wenn einen Student seinen Hauptfach nicht gefällt, kann er oder sie früh im Studium auf ein ähnliches Fach relativ leicht wechseln. Natürlich gibt es Hauptfächer, insbesondere im Ingeneurswesen, wo die Wahl von Kursen durch die hohe Anzahl von Pflichtfächern etwas eingeschränkt ist, aber diese Studenten haben immer noch eine gewisse Freiheit, ihre Kurse zu wählen. Wenn ein Student sein Bachelorstudium in drei anstatt vier Jahren (wie beim amerikanischen System) fertigmachen muss, geht ein großer Teil dieser Freiheit verloren, und die Bildung wird, anstatt ein einmaliges geistiges Erlebnis, zu einer langen, standardisierten Pflicht.

Dieser Eintrag wird wahrscheinlich mein letztes kleines Roman über die Bildungssysteme in Deutschland und der USA sein. Wenn ich aber ab und zu eine kleine interessante Bemerkung zu diesem Thema habe, wird es hier erscheinen. Ansonsten werde ich nächste Woche über das Essen und Trinken in den beiden Ländern schreiben, weil es wenig Anderes gibt, was mehr über die Kultur eines Landes andeutet.

19 November 2011

Bildungssysteme, Teil 1

Die auffälligsten Unterschiede zwischen Deutschland und die USA, die ich jeden Tag begegne, sind die in den Bildungssysteme der Länder. Hier sind einige allgemeine Unterschiede, die mir aufgefallen sind.

Bei der TUM und, glaube ich, ganz Deutschland sind mehrere Aspekte des studentische Lebens weniger formal und geregelt als in der USA. Zum Beispeil gibt es in den Vorlesungen und Übungen hier keine Anwesendheitspflicht; man muss sich nicht mal in einen Kurs einschreiben, um später dafür Kredite zu bekommen. Das Entscheidende ist, man besteht die Klausur. Wie der Student / die Studentin das macht, ist dem Professor meistens Wurst, oder wenigstens scheint es mir so zu sein.

In der USA gibt es zwar auch meistens keine formale Anwesendheitspflicht, aber es ist ziemlich schwierig, gut abzuschneiden, wenn man keine Vorlesung oder Übung besucht. Um Kredite für einen Kurs zu kriegen, muss man sich vorher bindend einschreiben. Wenn man sich später entscheidet dass man den Kurs nicht mehr machen will, kann man nicht einfach aufhören und die Prüfungen versäumen, sonst steht eine 6 auf dem Studiennachweis. Allerdings besteht die Note nicht nur aus eine Prüfung, sondern mehrere (Midterms); Hausaufgaben und größere Aufgaben oder Projekte werden auch in die Note einbezogen, also muss man mindestens oft genug in die Übung erscheinen, um die Hausaufgaben abzugeben wenn man sich überhaupt um die Note kümmert.

Ich finde dies auch ein sehr hilfreiches System, weil ich ständig weiß, wie gut ich das Lehrmaterial verstehe und ob dieses Verständnis ausreicht, um bei einer Prüfung gut abzuschneiden. Bei den Hausaufgaben, die ich bei der TUM kriege, weiß ich nicht so genau, ob diese mich echt für die Aufgaben auf der Klausur vorbereiten werden. Dass die Hausaufgaben in der USA in der Note einbezogen werden hilft auch als Motivation, diese Aufgaben wirklich zu machen. Das ist allerdings besser als eine leichte Abmahnung vom Tutor an die, die die Aufgaben nicht abgegeben haben (bei mancher Übungen in der ich teilnehme ist das die Mehrheit der Gruppe) und die weit entfernte Drohung einer Klausur.

Auch außerhalb der Vorlesungen und Übungen sehe ich große Unterschiede im studentischen leben, die auf größere Selbstständigkeit von deutschen Studenten gegenüber amerikanische Studenten deuten. Die Bedeutung vom Wort "Campus" unterscheidet sich zwischen der USA und Deutschland: Die Campus der TUM bestehen lediglich aus akademische- und Forschungsgebäude und es gibt relativ wenige Studentenwohnheime, Restaurants oder andere Geschäfte in der unmittelbarer Nähe des Campus, vor allem in Garching.

Der Campus der Universität von Minnesota in Minneapolis dagegen umschließt akademische- und Forschungsgebäude sowie mehrere Studentenwohnheime. Die meisten Studenten wohnen entweder im Campus oder können es zu Fuß oder Rad leicht erreichen. Teilweise aus diesem Grund ist der Campus oft ein Treffpunkt für informale Arbeitsgruppen und studentische Vereine. Es gibt im und um den Campus herum mehrere Restaurante und Kneipen wo viele Studenten zu sehen sind. Kurz zusammengefasst ist der Campus eine kleine Stadt in sich selbst, mit ein Gefühl der Einheit und Gesellschaft zwischen den Studenten. Dieses Gefühl ist beispielsweise auch von den Sport-Ligas der amerikanischen Universitäten unterstützt, wo Studenten durch Zuschauersport wie American Football oder Eishockey im Konkurrenz gegen andere Unis eine Art Stolz auf ihrer Universität bilden, die auf US-Englisch "School Spirit" genannt wird. Übrigens, obwohl ich hier speziell meine Heimatsuniversität beschreibe, habe ich auch diese Eigenschaften in die meisten anderen amerikanischen Unis gesehen, die ich besucht habe.

Im allgemeinen könnte man die hier beschriebene Unterschiede als eine höhere Betonung auf Gesellschaft anstatt Selbstständigkeit in amerikanischen Universitäten gegenüber deutsche Unis beschreiben. Ob mir das deutsche System besser gefällt als das amerikanische wird sich allerdings in den nächsten zwei Semestern feststellen.